Mit Hund und zwei Fahrrädern: ein neues Abenteuer beginnt.

30. Juli 2019– Mexiko

Vor den bunten Häuserfassaden bieten Händler und Verkäuferinnen ihre Waren an: Avocados, Bananen, Tücher, Taschen und Tortillas. Alte, bunt bemalte Busse blasen schwarze Abgase in die Luft. Frauen in traditionellen, farbenfroh bestickten Blusen und Röcken laufen an uns vorbei. Wir sind in Antigua, der ehemaligen Hauptstadt Guatemalas.

Antigua war bis 1773, als sie von eimem verheerenden Erdbeben heim gesucht wurde, die Hauptstadt Guatemalas. Die Hautstadt wurde auf die 50 Kilometer entfernte Hochebene verlegt und heißt heute Guatemala Stadt. Antigua zählt heute mit seinen farbenprächtigen Bauten zum UNESCO Weltkulturerbe.

In einer Woche beginnt unser Volontariat bei Maya Pedal, einer NGO die Fahrradmaschinen herstellt. Bevor wir in das nahegelegene Dörfchen Itzapa fahren, wo die Organisation ihren Sitz hat wollen wir noch die antike Stadt, ein paar Vulkane und Seen in der Umgebung erkunden.

Während wir durch die engen Gassen Antiguas laufen, braut sich am Horizont über den grünbewachsenen Bergen hinter der Stadt, ein Unwetter zusammen. Bald platschen die ersten großen Tropfen auf die warmen Pflastersteine. In einem Café suchen wir Schutz vor dem stärker werdenden Gewitterregen.

Auch heute noch zählt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung Guatemalas zu den Maya.Die einzelnen Mayagruppen identifizieren sich über besondere Elemente ihrer traditionellen Kleidung, in der sie sich jeweils von anderen Maya-Gruppen unterscheiden und deren Ornamentik anteilig magisch symbolische Funktion besitzen

Wie Nami zu uns fand

Als wir es uns gerade auf den alten Stühlen gemütlich gemacht haben, kommt eine Gruppe Touristinnen und ein schwarzer Hund in das Café. Der Hund geht zielgerichtet auf unseren Tisch zu, kringelt sich zwischen unseren Füßen ein und wird sich die nächsten zwei Stunden von dort nicht mehr weg bewegen.

„Die Kleine läuft uns schon seit ein paar Stunden hinterher. Sie scheint Euch zu mögen.“ sagt eine der Touristinnen. Die Café-Inhaberin, die dem Gespräch zugehört hat, ergänzt: „Schon seit ein paar Monaten strolcht sie hier durch die Straßen. Wollt ihr sie nicht adoptieren?“

Schon oft hatten wir während der Reise davon geträumt, mit einem Hund unterwegs zu sein. Jetzt schien der Moment gekommen zu sein. Als Adriana, die Inhaberin des Cafés, uns dann mit einem Augenzwinkern vorschlägt, dass sie für die nötigen Impfkosten aufkommt, wenn wir den Hund adoptieren, scheint unser Schicksal geschrieben zu sein. Was hatte das Universum da wieder für uns ausgeheckt?

Dann passiert alles wie von selbst: Adriana ruft ihren Freund – den Tierarzt – an, der keine zwanzig Minuten später schon im Café steht. Er tastet die Hündin ab, gibt ihr Wurmtabletten, impft sie, stellt ihr einen Ausweis aus, lächelt uns zu und verschwindet genauso schnell wieder, wie er gekommen ist.

Wir können unser Glück kaum fassen, bedanken uns bei allen, treten durch die große hölzerne Tür in die Nacht hinaus und lächeln unserer kleinen neuen Freundin zu. Nun zu dritt, laufen wir zu unserm Schlaflager zurück. Seitdem ist Nami bei uns.

Am Stadtrand von Antigua finden wir ein ruhiges Plätzchen, wo wir unser Zelt aufschlagen.

Trampen mit Hund?

Es ist noch früh am Morgen, als wir uns auf den Weg zum Vulkan Acatenago machen. Unsere erste gemeinsame Trampstrecke mit Nami steht bevor. Als wir am Straßenrand unsere Daumen ausstrecken, versteckt sie sich hinter unseren Rucksäcken die auf dem Boden stehen. Als wüsste sie, dass unsere Chancen so besser stehen.

Nami trampt als hätte sie nie was anderes gemacht. Als ein Auto hält und wir einsteigen, kringelt sie sich im Fußraum ein und gibt keinen Ton von sich bis wir das kleine Dörfchen „Soledad“ am Fuße des Vulkans erreicht haben. Von hier aus startet die Wanderung zur Spitze des Vulkans.

Unser erstes Abenteuer zu Dritt

Männer mit Pferden und Hunden kreuzen unseren Weg. Mit Spaten und Hacke ausgerüstet sind sie unterwegs zu ihren Maisfeldern die in den steilen Berghängen liegen. Wir tauschen freundliche Grüße aus marschieren weiter bis wir endlich den nebeligen Urwald erreichen.

Kurz vor Dunkelheit kommen wir an die Baumgrenze und finden unterhalb des Kraters eine halbwegs ebene Fläche die groß genug ist um darauf unser Zelt aufzubauen. Von hier aus, bietet sich eine spektakuläre Aussicht auf den noch aktiven Nachbarvulkan „Fuego“. Ein wahres Naturschauspiel!

Auf jede Eruption folgt ein dunkles Dröhnen und Donnern, es fühlt sich an als würde der ganze Berg beben. Glühende Lava spritzt aus dem Krater und läuft dann zäh und träge an der Seite hinunter. Fasziniert sitzen wir vor unserem Zelt und sind gebannt von der Szenerie die sich da vor uns abspielt.

Der „Volcán de Fuego“ (Feuervulkan) ist ein aktiver, 3.763 Meter hoher Vulkan im Süden Guatemalas.

Ich kann mich gar nicht losreißen und bewege mich erst nach ein paar Stunden, als es zu kalt wird, vom Fleck, um ins Zelt zu gehen. Zu dem monotonen Rieseln des Vulkanstaubs, der auf unser Zelt regnet, schlafen wir bald ein.

Am nächsten Morgen steigen wir weiter auf zum Krater. Eine Stunde später erreichen wir den Rand und vor uns erstreckt sich eine Landschaft als seien wir plötzlich auf dem Mond gelandet. Mein Blick schweift über ein riesiges Kratertal, Nebelschwaden wabern durch den gespenstisch kahlen, schwarzen Krater und aus kleinen Erdhöhlen steigt warmer Rauch.

Plötzlich reißt der Nebel auf und gibt den Blick frei auf das gesamte Umland. Was für eine Aussicht! Es scheint als könnte man von hier oben auf ganz Guatemala herunter schauen, auch der feuerspeiende Nachbar ist wieder sichtbar.

Weiter gehts zum Atitlan See: Auf dem Weg  dorthin findet Nami ein kleines Hündchen, dass in eine Tüte eingewickelt am Straßenrand ausgesetzt wurde. Wir sammeln es ein und bringen es nach San Marcos, wo wir schnell eine Frau finden, die den kleinen Hund adoptiert.

In San Marcos, einem Dorf am See Atitlan, treffen wir Scotty wieder. Wir hatten ihn vor eineinhalb Jahren in Chile in der Kommune „Aluantu“ kennen gelernt und freuen uns riesig über das spontane Wiedersehen. Scotty ist einer dieser Menschen, mit denen man sich im Zauber der Unbeschwertheit und Leichtigkeit verlieren kann.

Der Heilige der Schnaps mag

Ein paar Tage später kommen wir in der NGO „Maya- Pedal“ an. Die Organisation baut Fahrradmaschinen, also Maschinen, die nicht durch Strom sondern mit Pedalkraft angetrieben werden. Die Idee ist, indigene Gemeinschaften, die oft keinen Stromanschluss haben auf nachhaltige Weise zu unterstützen. Durch die Maschinen und die damit hergestellten Produkte kann die Gemeinschaft im Idealfall Einkommen generieren. Bei Maya Pedal wollen wir drei oder vier Wochen verbringen und lernen wie solche Fahrradmaschinen gebaut und genutzt werden.

Die Werkstatt von Maya Pedal liegt in dem unscheinbaren Städtchen San Andrés Itzapa. Halb fertige Betonbauten prägen das Straßenbild, dichter Verkehr quetscht sich durch die engen Straßen und dazwischen reiten Männer mit Strohhüten auf vollbeladenen Pferden.

Die Mischung aus Maya und römisch-katholischen Traditionen hat Guatemala ein faszinierendes kulturelles Erbe hinterlassen. Hier auf dem Foto ist zwar nich Maximon zu sehen aber der traditionelle „Baile de Venado“ – Tanz der Rehe.

Eine Frau, die am Straßenrand frische Tortillas verkauft, erklärt uns den Weg zu Maya Pedal. Von der Hauptstraße biegen wir in eine kleine unbefestigte Straße ein. Hier reihen sich kleine Lädchen aneinander, die sonderbare bunte Flüssigkeiten in Gläsern, magnetischen Sand und Figuren von einem Mann im Sakko und Dollarzeichen auf dem Rücken verkaufen. Eine kräftige Frau mit riesiger Zigarre im Mund beäugt uns misstrauisch.

An der Ecke wo wir links abbiegen wollen, kommt uns ein schlaksiger angetrunkener Mann entgegen der uns die Hände lesen will. Später erfahren wir, dass hier der bekannte Tempel von dem Heiligen Maximón steht. Hunderte Guatemalteken pilgern täglich hierher um den merkwürdigen Mann mit Hut und Sakko zu ehren und ihn um – manchmal zwiespältige – Gefallen zu bitten. Als Gegenleistung bringen sie ihm Opfergaben mit. Am liebsten mag der Heilige Schnaps, Zigaretten und Geld.

Mit Josh, der in London als Fahrraddesigner arbeitet, lernen wir in der Werkstatt von Maya Pedal Schweißen. 

Saft mixen mit Pedal-kraft

Zwei Häuser hinter dem Tempel stoßen wir auf ein großes metallenes Tor mit der Aufschrift „Maya Pedal“. Im Hinterhof der Werkstatt stehen ein paar Prototypen von den pedalbetriebenen Maschinen. David, ein Mitarbeiter schweißt gerade zwei Metallstangen aneinander. Auf der zweiten Etage – die Treppen hinauf – befinden sich die Wohnräume der Freiwilligen.

Wir teilen uns die Etage mit Sunny, Abby und Fer. Die kleine Familie ist vor ein paar Monaten in Kanada mit ihren Fahrrädern los geradelt und reisen nun Richtung Süden. Auch Josh, ein Fahrradmechaniker aus London, wohnt für ein paar Wochen hier um mehr über die Pedal betriebenen Maschinen zu lernen.

Maya Pedal stellt auch Wasserfilter her. Julia und Abby arbeiten gemeinsam an einem neuen Filter.

 

Auch Fer hilft fleißig mit.

 

In den nächsten Wochen entwickelt sich unter uns allen ein familiäres Verhältnis. Tagsüber arbeiten wir in der Werkstatt und abends kochen wir zusammen und teilen unsere Geschichten.

 

Sunny, Abby und Fer sind seit ein paar Monaten mit dem Fahrrad unterwegs. Sie sind in Kanada gestartet und fahren nun Richtung Süden.

Der kleine Fer macht eine Siesta in der Schubkarre während Sunny an dem Rad einer Fahrradmaschiene arbeitet.

Die pedalbetriebene Wasserpumpe fördert Wasser mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 10 Gallonen pro Minute aus Brunnen und Bohrlöchern mit einer Tiefe von bis zu 30 Metern. Das garantiert den Zugang zu Trinkwasser, wo kein Strom verfügbar ist.

Fahrräder aus Schrotteilen

Eines Abends als wir zum gemeinsamen Abendessen zusammen sitzen, hat Sunny die Idee  aus den alten Fahrradteilen die hier herum liegen,  zwei Fahrrad  zusammen bauen. „Damit könntet ihr dann weiter Richtung USA radeln“, schlägt sie vor.

Die Idee stößt sofort auf volle Begeisterung und so machen wir uns am nächsten Tag sofort an die Sache!

Aus dem alten Kram suchen wir die best erhaltenen Teile raus und bauen daraus, mit der professionellen Hilfe von Josh, zwei Fahrräder zusammen. Bremszüge, Ketten, Sattel und Fahrradschläuche kaufen wir in einem Fahrradshop und auf dem Markt finden wir vier gebrauchte Plastikeimer mit Deckel, in denen wir unsere Sachen transportieren werden. Auf einen der Gepäckträger schrauben wir eine Transportkiste für Nami an und Abby schweißt noch eine Art Korb zusammen, den wir über dem Vorderrad anbringen.

Von Tag zu Tag nehmen die Fahrräder mehr Form an und als Abby, Sunny und Fer schließlich los machen, um weiter Richtung Costa Rica zu radeln, brechen auch wir wenige Tage später auf.

Bienvenid@s a Mexiko!

Wir wollten zwar noch ein paar Wochen länger in Guatemala bleiben, aber wegen eines Missverständnisses hatte der Tierarzt beim letzten Besuch Nami schon ein Gesundheitszertifikat für die Grenzüberquerung nach Mexiko ausgestellt, das nur wenige Wochen gültig ist. Als wir dann etwas abgehetzt die Grenze genau an dem Tag erreichen, an dem das Zertifikat abläuft, interessiert sich niemand weder für Nami noch für irgendein offizielles Dokument.

Die Eile war umsonst – aber hier sind wir nun: In Mexiko.

Unsere Fahrräder müssen ins Gefängnis. Während wir unser Zelt in einem Park aufschlagen und dort übernachten dürfen wir die Fahrräder bei der Stadtpolizei abstellen,

Chiapas ist eine der ärmsten Bundesstaaten Mexikos. Hier gibt es viele regionale Initiativen und Gruppierungen – zum Beispiel die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) – die sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos, gegen neoliberale Wirtschaftspolitik und für autonome Selbstverwaltung einsetzen.

Der erste Platten.

Ankunft in San Cristobal.

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