I have found humanity again.“ – Jean Jo, Bewohner der ZAD

Art: Besetztes Land, Verteidigung gegen ein Flughafengroßprojekt
Schwerpunkte: Besetzung, anarchistisch, linkes Politikverständnis, Landwirtschaft, ökolog. Bauen, Viehwirtschaft
Umgebung: Ländlich
Bewohner*Innen: ca. 300
Sprachen: Französisch, Englisch, Spanisch, Deutsch
Gründungsjahr: seit den 60er Jahren
Land: Frankreich
Gäste willkommen? Ja

Update 17.01.2018

Die französische Regierung hat am 17.01.2018 bekanntgegeben, dass das Flughafengroßprojekt nicht umgesetzt werden wird.

Die Utopie der Aktivist*innen wurde zur Realität: Land und Natur werden erhalten, der Flughafen wird nicht gebaut!

Mehr Infos findet ihr hier

ZAD. Diese drei Buchstaben stehen für „Zone a Deféndre“, was zu deutsch etwa mit „das zu verteidigende Gebiet“ übersetzt werden kann. Auf dem rund 1700 Hektar Acker- und Weideland in Notre-Dame-des-Landes kämpfen mehrere hundert Menschen gegen die Umsetzung eines Flughafengroßprojekts. Neue Formen des Zusammenlebens werden hier ausprobiert und gelebt. „Es ist zwar nicht immer einfach, so viele Menschen mit ihren unterschiedlichen politischen, sozialen und kulturellen Hintergründen zusammenzubringen, aber der politische Kampf schafft eine gemeinsame Ebene; er verbindet uns.“ (Jean Jo)

Jean Jo ist einer der ältesten Bewohner in der ZAD. Wir haben mit ihm über die Ziele, Zukunft und den Alltag des besetzten Gebiets gesprochen. Die in dem Text genannten Zitate stammen von ihm.

Jean Jo vor seiner Hütte.

Farmer gegen das Flughafengroßprojekt

Wo? Seit wann? Wieso?

Das besetzte Gebiet in der Nähe von Nantes, wurde von der französischen Regierung als ein „der Republik verlorengegangenes Territorium“ erklärt. Seit nunmehr 50 Jahren (siehe Chronologie) leistet ein großes Bündnis an Bürgerinitiativen, Landwirten und Autonomen Widerstand gegen ein geplantes Flughafenprojekt in Notre-Dame-des-Landes. Das Projekt soll auf rund 1700 Hektar Farmland, Wald- und Wiesengebiet realisiert werden. Seit der gescheiterten „Operation César“ im Jahr 2012, solidarisieren sich immer mehr Menschen mit den Bewohnern. Die „Operation César“ war eine vom französischen Staat durchgeführte Räumungsaktion, bei der mehrere tausend Polizisten versuchten das Gebiet zurück zu gewinnen.
„Allerdings rechnete die Polizei nicht mit dem Widerstand von über 40.000 Menschen, die sich auf dem riesigen Gebiet von über 1700 Hektar in den Wäldern und Gebüschen versteckt hielten und zusammen gegen die Räumung kämpften.“ Die Operation wurde bald abgebrochen und die Polizei zog sich zurück. Schnell wurden die zerstörten Hütten mit vereinten Kräften wieder aufgebaut, neue Gemeinschaftsprojekte geplant und umgesetzt. „Die Tage des Ausnahmezustands, als Farmer und Aktivisten Seite an Seite für ein gemeinsames Ziel kämpften, haben uns alle zusammengeschweißt.“

 

Wie leben die Menschen?

Die Bewohner der ZAD wohnen in Jurten, Zelten und Wohnwagen oder in besetzten Farmen. Sie leben in Kleingruppen, die über das gesamte Gebiet verteilt und untereinander vernetzt sind. Meist teilen sich fünf bis zehn Personen eine gemeinschaftlich errichtete Holzhütte oder die Räumlichkeiten der besetzten Farmen.

 

Aussenküche einer Holzhütte. Das Wasser zum Spülen und Kochen muss in Kanister an zentralen Wasserzugängen abgeholt werden, da es in den meisten Hütten weder fließendes Wasser noch Strom gibt.

Die ZAD bietet Raum, um alle Arten von Ideen und Projekten zu verwirklichen. Unter anderem gibt es eine Fahrradwerkstatt, zwei Backstuben, eine Bibliothek, ein Studio für Tonaufnahmen, eine Bierbrauerei und verschiedene Bauprojekte, die nach traditionellem Schreinerhandwerk realisiert werden.

Antoine lebt seit fünf Jahren in der ZAD und hat hier die Imkerei gelernt.

Wie ist das Zusammenleben organisiert?

Es gibt einzelne Kollektive, die in Form von Wohn- und/oder Arbeitsgruppen organisiert sind. Die Vernetzung dieser Kleingruppen untereinander ist wichtig für das tägliche Zusammenleben in der Gemeinschaft. So werden beispielsweise auf dem wöchentlichen Non-Marché (Nicht-Markt), Brot, Gemüse und Obst gegen Spende an die Allgemeinheit verteilt. „Damit ein Zusammenleben wie dieses funktionieren kann, müssen wir unseren Individualismus ablegen und gemeinschaftlich denken.“
Um Anliegen, Probleme oder politische Aktionen zu besprechen, findet einmal in der Woche ein Plenum statt. „Wichtige Entscheidungen treffen wir auf der Basis von Konsensfindung, was nicht immer leicht ist. Die Kommunikation in der Gruppe erfordert einiges an Selbstdisziplin, man muss auch mal einstecken können.“
Wer keine Zeit hatte, das Plenum zu besuchen, kann alle wichtigen Neuigkeiten, Termine und Aufrufe in der regelmäßig erscheinenden Zeitung, der „ZAD-News“, nachlesen.

Frische Tomaten im Gemeinschaftsgarten

Zukunft der ZAD

Die politischen Ziele, im Falle einer Aufgabe des Großprojekts, wurden von den ansässigen Landwirten und Besetzern der ZAD in sechs Punkten zusammengefasst. Diese haben als zentralen Kern die Forderung, dass die Landwirte ihre Aktivität unter guten Bedingungen fortführen und die Besetzer in der Zone bleiben können.
„Ich glaube, dass diese Art von Gemeinschaft – mit so vielen Menschen und ihren unterschiedlichen Vorstellungen – funktioniert, weil wir für ein gemeinsames Ziel kämpfen. Wenn das Flughafengroßprojekt jedoch abgesagt wird und damit unser gemeinsame Basis wegfällt…ja, was wird uns dann noch zusammenhalten? Aber wir haben bereits so viele Samen gesät, Samen für ein besseres Leben, für ein besseres Miteinander, die es jetzt zu pflegen und zu verbreiten heißt. Ob wir das schaffen wird die Zukunft zeigen…“

Kurze Chronologie

60er und 70er Jahre
erste Pläne zur Durchführung eines Flughafenprojekts in NDDL treffen auf Widerstand der ansässigen Landwirte
Während der 80er und 90er Jahren ruht das Großprojekt

2000
Wiederaufnahme des Projekts
Gründung der ACIPA ( interkommunaler Verein der vom Flughafenprojekt betroffenen Bevölkerung). Sie führen Gegenexpertisen und Informationen gegen das Großprojekt auf.

2008/2010
2008: „Bürger*innen im Widerstand“ starten den Aufruf, das ZAD zu besetzen.
2009: Klimacamp als Beginn einer stärkeren Involvierung von radikalen Umweltschützern und Antikapitalistinnen in den Kampf um die ZAD.
neue Gruppen besetzen verlassene Höfe oder bauen kleine Hütten auf.

2011/2012
Flughafenprojekt wird von dem Großinvestor VINCI übernommen.
Am 24. März 2012 demonstrieren 10.000 Personen und 200 Traktoren in Nantes gegen den Bau des Großprojekts.

Oktober/ November 2012
Am 16. Oktober beginnt„Operation Cäsar“, 2000 Polizisten zerstören über mehrere Wochen die Häuser und Hütten der BewohnerInnen
BesetzerInnen wehren sich und bleiben auf dem Gelände, unterstützt von einer Solidaritätswelle in ganz Frankreich.
17. November: mehr als 40.000 Menschen kommen in die ZAD und bauen in zwei Tagen mehrere neue Gebäude für den Widerstand gegen die Räumungsaktion.
Am 24. November: Ende der Operation Cäsar und die Schaffung eines Gesprächskomitees
Dutzende von neuen Personen lassen sich auf der ZAD nieder und beginnen den Wiederaufbau

2014
Bauherren kündigen die Verpflanzung der geschützten Tier- und Pflanzenarten und den Beginn der Bauarbeiten an daraufhin findet am 22. April in Nantes eine Riesendemo mit mehr als 50.000 Personen und 500 Traktoren statt.
2016
27. Februar 2016: 50.000 DemonstrantInnen besetzen die Westautobahn zu Nantes und protestierten mit 500 Traktoren.
10. Juli: Großdemo mit knapp 25.000 Menschen auf der ZAD

 

Weitere Informationen findet Ihr unter: https://zad.nadir.org

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