Konsens (auch: Konsensprinzip oder Konsensfindung)

In den meisten Gemeinschaften, die wir bisher besucht haben, werden Entscheidungen nach dem Konsensprinzip getroffen.

Das Konsensprinzip ist ein kreativer und dynamischer Weg der Entscheidungsfindung. Hierbei werden innerhalb einer Gruppe Entscheidungen getroffen, die von jeder beteiligten Person aktiv unterstützt oder zumindest mitgetragen werden.

Das Ziel ist es, Hierarchien und Machtverhältnisse zu vermeiden, also jede Person gleichberechtigt in den Problemlösungsprozess einzubeziehen. Darin liegt auch der wesentliche Unterschied zum ‚Mehrheitsprinzip‘, das zum Beipsiel bei demokratischen Wahlen eingesetzt wird. Denn im Mehrheitsprinzip zählt das Ergebnis, das von einer Mehrheit der Wählenden bevorzugt wird. Die Stimmen der Minderheit werden dabei nicht gehört!

Was unterscheidet das Konsensprinzip vom Mehrheitsprinzip?

Konsens ist nicht nur eine andere Form der Entscheidungsfindung, sondern auch eine andere Geisteshaltung, der andere Werte und ein anderes Menschenbild zugrunde liegen. Einer der Grundsätze der „Konsenskultur” heißt: Alle Meinungen sind gleich viel wert, einerlei ob es sich um eine einzelne Meinung oder um die von vielen handelt. Denn jeder Mensch hat einen Wert, der nicht durch die Mehrzahl der anderen eingeschränkt werden kann und darf.“ (Christoph Besemer – Konsens als zukunftsweisendes Prinzip)

Mehrheitsprinzip

  • Entscheidungen werden von der Mehrheit getroffen auch wenn Minderheit diese Entscheidung nicht mitträgt
  • Der Wille der Mehrheit dominiert die Bedenken und Wünsche der Minderheit.
  • Einzelne Bedürfnisse und Anliegen der Beteiligten werden nicht beachtet
  • Das Mehrheitsverfahren polarisiert eher, als dass es alle Beteiligten zusammenbringt: Wenn eine Seite ständig in der Minderheitenposition ist, bedeutet das Mehrheitsprinzip letztendlich sogar die demokratisch legitimierte Unterdrückung der Minderheit

Konsens

(aus Skills for action-Handout ‚Konsens‘)

  • eine Einigung auf einen Vorschlag, den alle mittragen.
  • kooperativ, integrierend und lösungsorientiert.
  • kreativ. Mehr motivierte Köpfe beteiligen sich, Bedenken und Ideen kommen aus verschiedenen
    Richtungen.
  • partizipativ. Alle werden ermutigt, sich an dem Entscheidungsprozess zu beteiligen.
  • aktivierend. Wenn alle die Entscheidung mit treffen, erleichtert das die Umsetzbarkeit.
  • eine Entscheidungsform, die dabei hilft, sowohl umzudenken, als auch den Zusammenhalt in der Gruppe zu
    stärken.
  • respektvoll gegenüber den Bedürfnissen und Anliegen von allen Beteiligten.
  • kein fauler Kompromiss.

Wie verläuft das Konsensverfahren?

Gegenstand klären
Was ist das Problem?
Zu welcher Frage muss eine Entscheidung getroffen werden?

Meinungen offen legen
Meinungsäußerungen zum Thema
Interessen, Bedürfnisse und Wünsche offen legen

Lösungsvorschläge entwickeln
Sammlung von Lösungsvorschlägen
Diskussion und Weiterentwicklung der Lösungsvorschläge

Konsens herausarbeiten
Konsensvorschlag formulieren
Bewertung nach Konsensstufen

… Falls noch kein Konsens zurück zu Schritt 2 oder 3 (entnommen aus: Christoph Besemer Konsens als zukunftsweisendes Prinzip)

Stufen der Konsensfindung

Bei Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip gibt es drei Möglichkeiten: Zustimmen, Ablehnen oder Enthalten.

Das Konsensprinzip bietet den Gruppenmitgliedern hingegen die Möglichkeit, ihre Meinung genauer zu differenzieren.

  • Vorbehaltlose Zustimmung: „Ich stimme dem Lösungsvorschlag zu.“
  • Leichte Bedenken: „Ich stimme zu, habe aber leichte Bedenken.“
  • Enthaltung: „Ich überlasse euch die Entscheidung, bin aber bei der Umsetzung dabei.“
  • Beiseite stehen: „Ich kann den Vorschlag nicht vertreten, lasse ihn aber passieren,
  • Schwere Bedenken: „Ich habe schwere Bedenken und wünsche mir eine andere Entscheidung.“
  • Veto: „Der Vorschlag widerspricht grundsätzlich meinen Vorstellungen. Er darf nicht ausgeführt werden.“

Dabei sollte die Moderation darauf achten, nicht nach der Zustimmung („Wer ist einverstanden?“), sondern nach Bedenken und Widersprüchen („Hat jemand Bedenken?“) fragen.

Prinzipien bei der Konsensfindung

  • Vertrauen
  • Respekt
  • Gewaltfreiheit
  • Konfliktlösung
  • Zusammenarbeit
  • Engagement für die Gruppe
  • aktive Teilnahme
  • gleichberechtigter Zugang zu Macht
  • Geduld

 

Mögliche Probleme bei der Konsensfindung

(entnommen aus  Skills for action-Handout ‚Konsens‘)

  • Voraussetzung für einen „echten“ Konsens ist, dass alle beteiligten Personen sich trauen, offen und ehrlich ihre Meinung zu sagen und zu vertreten.
  • Das Problem eines „Scheinkonsenses“ kann entstehen, wenn Personen einem Vorschlag zustimmen, ohne mit ihm wirklich einverstanden zu sein. Zum Beispiel  weil sie den Prozess nicht blockieren wollen oder weil sie viel stärker als andere bereit sind, sich selbst und ihre Meinung zurückzunehmen.
  • Es ist wichtig, darauf zu achten auch explizit nach Bedenken und Widerspruch zu einem Konsensvorschlag zu fragen. Sie können anderenfalls in einer scheinbar allgemeinen Zustimmung untergehen.
  • Konsensorientierung bedeutet, sich mit der Anforderung auseinander zu setzen, dass möglichst alle Beteiligten einen Vorschlag mit umsetzen. Das kann natürlich nur auf der Freiwilligkeit der aller Beteiligten basieren und ist damit ein sehr hoher Anspruch.
  • Konsensfindung ist oft zunächst ein zeitintensiver und manchmal holpriger Prozess. Durch Übung und Erfahrung können Gruppen sich Konsens aneignen und ihn „lernen“.

Literatur zum Thema

Werkstatt für gewaltfreie Aktion Baden: „Konsens. Handbuch zur gewaltfreien Entscheidungsfindung“ (2004)

Christoph Besemer: Konsens als zukunftsweisendes Prinzip (ZKM – Zeitschrift für Konfliktmanagement 1/2000)

Seeds for Change: A Consensus Handbook Cooperative decisionmaking for activists, coops and communities (2013)

Wer nutzt den Konsens? Ein paar Beispiele.

(Aus: A Consensus Handbook Cooperative decisionmaking for activists, coops and communities
by Seeds for Change)

  • Die Haudenosaunee Konföderation  (Irokesen)-  die aus den nordamerikanischen Völkern Cayuga, Mohawk, Oneida, Onondaga und Seneca gebildet wird.
  • Kommunen wie die christliche Herrnhuter Siedlung 1741-1760 und die Produktionsgemeinde Boimondeau 1941-1972.
    Christiania, ein autonomer Bezirk in Kopenhagen ist seit 1971 von seinen Einwohner*innen selbstverwaltet.
  • Innerhalb der Genossenschaftsbewegung: viele Wohnungsgenossenschaften nutzen Konsens erfolgreich:
  • Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) verwenden Konsens,
  • Viele politische und soziale Aktivist*innen betrachten den Konsens als wesentlich für ihre Arbeit
  • Weltweit wurden und werden zahlreiche Protestaktionen und Protestcamps mit mehreren tausend Menschen im Konsens organisiert und durchgeführt: Zum Beispiel in der „Schlacht um Seattle“ von 1999, Die Proteste gegen den G8-Gipfel 2005 in Schottland und verschiedenen Protestcamps für Klimaschutz in Großbritannien,Frankreich, Deutschland, Australien, Niederlande und anderen Ländern.
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